Einleitung
Die Arbeitswelt und auch das soziale Leben hat sich in den letzten 50 Jahren komplett verändert. Früher waren die Arbeitsplätze überwiegend wohnortnah. Häufig war die Firma, bei der man die Ausbildung und die Arbeit begonnen hatte auch die Firma, die einen in den Ruhestand geschickt hat. Das kulturelle Leben spielte sich überwiegend am Wohnort und in der näheren Umgebung ab. Die Zugehörigkeit zu örtlichen Vereinen wie Sportverein, Gesangverein, Posaunenchor oder Freiwillige Feuerwehr war fast ein Muss. Kirmes, Ostertanz, Feuerwehr- und Sportfest waren die Highlights im Jahr. Fernsehen war im Kommen und Internet nicht vorstellbar. So bin ich groß geworden. Ich hatte das Gefühl, dass jeder froh war, wenn er einen Arbeitsplatz hatte und Geld verdienen konnte, um seine Familie zu ernähren und den Kindern eine gute Ausbildung zu finanzieren. Die soziale Absicherung im Krankheitsfall war sehr dürftig und auch die ’ ”Stütze” für Bedürftige reichte vorn und hinten nicht. Kinder traten häufig in beruflicher Hinsicht in die Fußstapfen der Eltern. Urlaub war auf dem Land ein Luxus, den sich viele nicht leisteten oder leisten konnten.
Als Bill Gates 1980 MS DOS entwickelte und Steve Jobs mit Apple seine innovativen Ideen umsetzte begann sich die Welt zu verändern. Das Arbeitsleben wurde intensiver und die Freizeitangebote nahmen mit hoher Progredienz zu. Das Internet wurde zur zentralen Kommunikationsplattform des täglichen Lebens. Fast jeder hat heute einen Internetzugang und ein Smartphone. In Unternehmen gibt es Online-Meetings über Skype, Teams, Zoom oder andere Anbieter. E‑Mails dienen dem Informationsaustausch und jeder hat über WhatsApp, Instagram oder X etwas mitzuteilen. Die digitale Welt hat uns voll im Griff und das persönliche Gespräch tritt in den Hintergrund. Industrie 4.0 wird der neue Standard der Digitalisierung in Unternehmen. Selbst das Einkaufen findet in großem Maße über Online-Bestellungen und nicht mehr lokal statt. Viele kleine Unternehmen konnten da nicht mithalten, mussten aufgeben und die Arbeitssuche im heimatlichen Bereich wurde schwierig. So verlagerte sich das Arbeitsleben in große Zentren und der Pendler wurde geboren. Zu den 8 Stunden Arbeitszeit kamen häufig nochmal 2 Stunden und mehr Anreisezeit dazu. Teilweise sind viele Beschäftigte auch die ganze Woche unterwegs und kommen nur zum Wochenende nach Hause. Überwiegend sind beide Elternteile berufstätig und damit wird auch die Kinderbetreuung ein Thema. Die Familienstruktur von früher gibt es nur noch selten. Das alles hinterlässt auch seine Spuren.
Arbeitszufriedenheit ist ein wichtiges Thema. Statistiken zeigen, dass die Krankheitstage in den neuen Bundesländern deutlich höher sind als in Bayern und Baden-Württemberg — Beschäftigte in strukturschwachen Regionen trifft es härter als solche in Gebieten mit einer hohen Arbeitsplatzdichte.
In der Gruppe von einem Alter bis 25 Jahre haben Beschäftigte doppelt soviele AU-Fälle wie in anderen Altergruppen. Es zeigt deutlich, dass sich junge Menschen mit dem Einstieg ins Berufsleben und der damit verbundenen Verantwortung und den Pflichten schwer tun.
Das wesentliche Merkmal der Veränderung der Arbeitswelt mit Arbeitsverdichtung durch Effizienzsteigerung und deutlich höherem Anspruch durch neue Technologien ist die zunehmende psychische Belastung der Beschäftigten. Nach Lazerus ist die psychische Belastung eine neutrale Größe. Die Auswirkung auf die Menschen nennt man Beanspruchung, die wiederum von vorhandenen Ressourcen beeinflusst wird. Das habe ich alles in meinem letzten Blog “Gefährdungsbeurteilung psychische Belastung — quo vadis?” näher erläutert und kann dort nachgelesen werden. Nun zeigen die drei oben aufgeführten Grafiken für die psychischen Erkrankungen,
- dass die AU-Fälle im Laufe der letzten 10 Jahre kontinuierlich angestiegen sind,
- dass die AU-Tage auch kontinuierlich — aber stärker — angestiegen sind, was wiederum bedeutet, dass die Krankheitsdauer pro Fall zugenommen hat und
- dass die Krankheitsdauer pro Fall bei psychischen Erkrankungen doppelt so hoch ist wie bei Herz-/Kreislauf-Erkrankungen, Muskel-/Skelett-Erkrankungen oder Verletzungen nach Unfällen sind.
Das Problem ist schon länger bekannt und daher hat auch der Gesetzgeber 2013 im Arbeitsschutzgesetz die Gefährdungsbeurteilung psychische Belastung als verpflichtend eingeführt. Aber wie bei vielen Dingen gibt es auch hier keine klare Vorgehensweise und viele schlaue Empfehlungen. Die Statistik zeigt, dass sich an dem Problem nichts verändert hat — im Gegenteil: die Zahlen steigen kontinuierlich an. Das bedeutet, dass die in Gang gesetzten Maßnahmen zur Problemlösung unwirksam sind.
Die Erfahrung von 20 Jahren Werkarzt im Bosch Konzern hat mich gelehrt, dass es in erster Linie ein Kommunikationsproblem ist. Zum Reden bleibt keine Zeit und jeder denkt mehr an das eigene berufliche Überleben als an die Probleme der Mitmenschen, die er kaum noch wahrnimmt. Wir haben uns viele Gedanken zu verschiedenen Kommunikationsmodellen gemacht und ich möchte an dieser Stelle versuchen, Ihnen wichtige Tipps für eine gute und erfolgreiche Kommunikation zu geben. Wir haben das Thema unter dem Titel “gesunde Führung” geführt.
Gesunde Führung
1. Eingangsüberlegungen
Unsere drei Hauptdimensionen waren Fehlzeiten vermeiden, Fehlzeiten reduzieren und Vorgehen bei Fehltagen.
Das Haus der Arbeitsfähigkeit zeigt die Felder, die die Arbeitsfähigkeit beeinflussen und wo man gegebenenfalls an den Stellrädern drehen muss, wenn Dissonanzen zur Krankheit führen.
Da die Arbeitswelt einem stetigen Wandel unterliegt und jeder Mensch dem Wandel zunächst mit einer gewissen Skepsis und Ablehnung begegnet ist auch hier eine gute Kommunikation gefragt. Veränderungsprozesse müssen informativ, offen, ehrlich und zeitnah begleitet werden, um Überzeugung zu leisten sowie Missverständnisse und damit Spekulationen zu verhindern. Das “Change House” beschreibt den Veränderungsprozess (Change Management) und zeigt auch die Sackgassen in jedem Raum.
Das war der Plan. In 7 Feldern haben wir die unterschiedlichen Maßnahmen betrachtet:
- der Arbeitsplatz sollte den körperlichen und geistigen Gegebenheiten des Beschäftgten entsprechen (Quali-Matrix)
- der Arbeitsplatz sollte ergonomisch und mit Arbeitsmitteln optimal ausgestattet sein
- der Mitarbeiter sollte in der Lage sein, von der Ausbildung her mehrere Arbeitsplätze begleiten zu können, um flexibler zu sein.
- im Bedarfsfall sollte — wenn möglich — ein anderer Arbeitsplatz gesucht werden
- Arbeitszeit und — geschwindigkeit sollten dem körperlichen und geistigen Leistungsniveau angepasst werden
- im Bedarfsfall sollte man auf externe Hilfen zurückgreifen (Berufsgenossenschaft, Integrationsamt, Integrationsfachdienst u.a.)
- eine notwendigen krankheitsbedingte Kündigung sollte immer sozialverträglich optimiert werden, das heißt alle sozialen Möglichkeiten betrachtet, abgewägt und bestmöglicher Weise umgesetzt werden
2. Grundprinzipien einer guten Kommunikation
Wer eine Beziehung zu einem Menschen aufbauen möchte und erreichen will, dass man ihm vertraut und auch seinen Ideen folgt sollte folgende Regeln einhalten:
- Demütige Grundhaltung
- Wertschätzung und Freundlichkeit
- Ertragen statt Persönlich nehmen
- Konstruktiv und zielführend
- Überlegt und beruhigt
- Offenheit und Ehrlichkeit
- Vier Augen Prinzip — alles Gesagte bleibt im Raum
- Vergeben statt Nachtragen
- Zuhören und Hineinversetzen
- Angemessener Rahmen
3. Gesprächsanlässe und ‑formen
In dieser Aufstellung haben wir die verschiedenen Gesprächsformen und Gesprächsanlässe definiert, Verantwortliche festgelegt und die Ziele beschrieben. Im Folgenden werden zu jedem Gesprächstyp die Einzelheiten aufgeführt.
4. Checkliste für Führungskräfte
Jede Führungskraft sollte sich immer mal wieder selbst “auditieren” und prüfen, ob er/sie den Anforderungen gerecht wird. Die Fähigkeit zur Selbstreflexion ist ein wesentliches Kriterium einer guten Führungskraft.
4. Fazit:
“Das Herzstück der Unternehmenskultur ist die Kommunikation zwischen den Menschen” hat mal ein kluger Mensch gesagt. Dabei ist es wichtig, dass ich als Führungskraft dem Mitarbeiter erst einmal zuhöre und versuche zu verstehen, wo sein Problem liegt. Wer mit einer vorgefertigten Meinung in ein Gespräch geht und versucht, diese mit allen Mitteln durchzusetzen wird keinen Menschen gewinnen und somit nicht erfolgreich sein. Kommunikation ist ein wunderbares Mittel, Konflikte zu lösen — aber auch zu eskalieren.