Gesunde Mitarbeiter sind eine wichtige Ressource für den Erfolg eines Unternehmens. Durch das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes vom 1. April 2007 sind die bisherigen Kann-Leistungen der Krankenkassen zur betrieblichen Gesundheitsförderung (BGF) Pflichtleistungen geworden (§ 20b SGB V), das bedeutet die Krankenkassen müssen Programme über Bewegung, Ernährung und psychischer Gesundheit fördern. In der Regel werden bei regelmäßiger Teilnahme bis zu 80 % der Kosten erststattet. Den Rest übernehmen meistens die Betriebe. In Großbetrieben wurden diese Kurse häufig in den Betriebsstätten durchgeführt. Die Erfahrung zeigte aber, dass aus betrieblichen Gründen die Teilnahmequote oft nicht das für die Kostenübernahme erforderliche Minimum erreichte. Daher haben wir ab 2010 bei der Firma Bosch Thermotechnik andere Wege beschrieben, die ich unter “Betriebliches Gesundheitsmanagement” näher erläutert habe. Ein Teil davon war das Aktivtraining, was an dieser Stelle Thema ist, da es sich mit dem Theraband (kleinstes Fitnessstudio der Welt) überall durchführen lässt und für kleine bis mittlere Unternehmen die ideale Methode darstellt.
1. Arbeitswelt früher und heute
Im früheren Arbeitsleben war die körperliche Belastung eine andere. Schwere Lasten mussten gehoben und getragen werden. Handarbeit mit Pickel, Schaufel und Handsägen waren an der Tagesordnung. Ergonomie war ein Fremdwort. Aber: Die Arbeit war vielfältig und es gab wenig einseitige Belastung. Die Verschleißerscheinungen betrafen überwiegend die großen Gelenke, betroffen war die “Kraftmuskulatur”.
Heute gibt es ein Arbeitsschutzgesetz, eine Arbeitsstättenverordnung und DIN Normen für die ergonomische Gestaltung von Arbeitsplätzen. Lasten sind gedeckelt. Das Problem heute ist eher die monotone Belastung und der Arbeitsdruck, der früher in dieser Form nicht da war. Während früher eher die “Kraftmuskulatur” überfordert wurde ist es heute die “Haltemuskulatur” am Körperstamm.
2. Physiologie und Pathophysiologie
Die Haltemuskeln an den Querfortsätzen der Wirbelkörper stabilisieren die Wirbelsäule, machen die Feinabstimmung und führen kleine Bewegungen (Rotation, Seitneigung) aus. Die Hals- und obere Brustwirbelsäule ist das Punctum fixum bei Bewegungen im Schultergürtel und dem Schultergelenk. Im Gegensatz zum Beckengürtel, der knöchern geschlossen ist und somit für Stabilität in der unteren Körperhälfte sorgt, ist der Schultergürtel zwischen Schulterblatt und Hals-/Brustwirbelsäule offen und wird muskulär geschlossen, was eine Drehung des Schulterblattes ermöglicht und somit die Bewegungsfreiheit im Schultergelenk deutlich erhöht. Bei Überkopfarbeiten oder manuelle Arbeiten ohne aufgelegte Arme muss diese Muskulatur die Stabilität am Körperstamm leisten und ermüdet bei längerem Gebrauch (> 2–3 Stunden). Übermüdung ist immer mit Verkürzung (Schutzmechanismus der Muskeln) und Verspannung verbunden.
Bandscheiben sind die Druckpolster zwischen den Wirbelkörpern und ermöglichen — ähnlich wie bei einer Fahrradkette — eine Bewegung der sonst knöchernen Wirbelsäule vorwärts, rückwärts und seitwärts sowie eine Rotation. Bandscheiben haben keine Blutgefäße und ernähren sich durch Diffusion mit Nährstoffen aus der umgebenden Flüssigkeit. Ermöglicht wird das durch Druck und Sog. Wenn nun durch die Verspannung der Muskulatur ein Dauerdruck auf den Bandscheiben lastet kommt es zu Ernährungsstörungen — insbesondere des Faserringes, der den gallertartigen Kern ummantelt. Der Faserring reißt langsam ein, der gallertartige Kern wölbt sich an dieser Stelle vor und man spricht von einer/-m Bandscheibenprotrusion/-prolaps. Reißt er komplett durch kommt es zu einem Massenvorfall, der immer eine Akutintervention erfordert, da er auf das Rückenmark drückt. Bei Vorwölbung im Bereich des seitlichen Wirbelloches, wo der Rückenmarksnerv austritt kann es zu einer Kompression kommen. Bedingt durch die Lage der einzelnen Nervenfasern kommt es zunächst zu Schmerz, danach zu Gefühlsstörungen im Bereich des versorgten Gebietes (Dermatom) und letztendlich dann auch zu Muskellähmung, die immer eine sofortige chirurgische Intervention erforderlich machen.
3. Prävention durch Aktivtraining
Ziel einer Prävention muss es nun sein, diesen Pathomechanismus der Bandscheibendegeneration zu verhindern. Das erreicht man, in dem man die betreffende Muskulatur dehnt und kräftigt. Eine sehr effektive Art ist das sogenannte Aktivtraining. Mit einem Theraband kann man Übungen an fast allen Arbeitsplätzen (Büro, Produktionshallen, im Freien, unterwegs beim Autofahren etc.) durchführen.
Wir haben bei der Firma Bosch Thermotechnik das Aktivtraining 2014 begonnen. Dafür engagierte Fitnesstrainer haben vor der Frühstückspause 2 x wöchentlich ein Programm durchgeführt. Nach schleppendem Anlauf hatten wir zum Schluß Teilnehmerquoten von 20 % in der Werkstatt und 30 % im Bürobereich. Wir haben darüber einen Motivationsfilm gedreht, den ich in meinem privaten Youtube-Kanal hochgeladen habe. Weiterhin habe ich mit einer unserer Trainerinnen einen Workout mit 12 Übungen aufgenommen, der ebenfalls in Youtube zu sehen ist. Für interessierte gebe ich gerne auf Anfrage den Link über Email weiter. Mein Vorschlag wäre, dass jeder im Bürobereich oder an Arbeitsplätzen mit monotonen Tätigkeiten in Pausen diese Übungen durchführt. Über den Workout kann man sie erlernen und danach selbständig durchführen. Möglich ist auch ein Gruppentraining, wo ein “Vorturner”! die Übungen vorführt. Am Anfang ist die Hemmschwelle groß, mit zunehmender Zeit wird es aber immer besser. Man muss nur dranbleiben. Ideal wäre es, wenn jeder an den beschriebenen Arbeitsplätzen nach 4 Stunden für ca. 10 min täglich 5 — 10 Übungen durchführt. Im Büro ist es relativ einfach, in der Produktion muss man es organisieren.
Meine Vision: Am Anfang kommen die Interessierten, den muss es gefallen. Die sagen es weiter und bringen die Unentschlossenen mit. Zum Schluss sollen sich die Ablehner als Außenseiter fühlen.
Vorschlag wäre auch, dass das Unternehmen Therabänder zur Verfügung stellt, die dann von den Mitarbeitern genutzt werden.
Aus meiner Erfahrung heraus kann ich sagen, dass bei konsequenter Durchführung die Methode mit wenig Aufwand einen hohen Wirkungsgrad hat. Das Problem ist die Hemmschwelle und der eigene Schweinehund.