von Dr. med. Klaus Merle 

Grippeschutzimpfung — wer, wann und warum?

August 23, 2024 in Allgemein

Einführung

Und täg­lich grüßt das Mur­mel­tier …”. Jedes Jahr aufs Neue wird unse­re Gesund­heit bezie­hungs­wei­se unser Immun­sys­tem durch das Influ­en­za-Virus belas­tet. Die Grip­pe­sai­son fin­det so zwi­schen der 40. KW und der 20. KW des Fol­ge­jah­res statt — also von Okto­ber bis April. Häu­fig ist der zeit­li­che Ver­lauf zwei­gipf­lig mit Schwer­punkt im Novem­ber und im Febru­ar. Es gibt Jah­re mit sehr hohen Fall- und Ster­be­zah­len wie 2017. Wie die Zah­len aus der Covid-Zeit 20/21 und 21/22  zei­gen hilft Mund­schutz und Mei­den von Kon­takt zu ande­ren Per­so­nen, die Infek­ti­ons­zah­len zu mini­mie­ren. Wenn wir nun das Jahr 22/23 mit sehr hohen Fall­zah­len betrach­ten ler­nen wir, dass der Infek­ti­ons­schutz durch Mas­ken und Kon­takt­mi­ni­mie­rung zwei Sei­ten hat: Man schützt sich zwar vor Infek­tio­nen, man macht aber unser Immun­sys­tem durch “man­gel­haf­tes Trai­ning” ein Stück weit unwirk­sam, das heißt, der Immun­schutz muss erst wie­der auf­ge­baut wer­den. Des­halb ist die Grip­pe­schutz­imp­fung die bes­se­re Lösung. Eine wis­sen­schaft­li­che Kom­mis­si­on stellt auf­grund von den Erfah­run­gen Grip­pe­wel­le auf der Süd­halb­ku­gel eine Mix­tur von Anti­ge­nen zusam­men, die in der Sai­son auf der Nord­halb­ku­gel erwar­tet wer­den. Durch eine Imp­fung vor der Sai­son baut unser Kör­per gegen das erwar­te­te Virus schon Anti­kör­per auf und kann einer Infek­ti­on wirk­sam begeg­nen. Lei­der kann man aber das Vor­kom­men nicht ganz sicher vor­her­sa­gen und somit bleibt ein Fra­ge­zei­chen, in wel­chem Umfang der Impf­stoff vor den dann auf­tre­ten­den Virus­va­ri­an­ten schützt. Grip­pe­vi­ren ver­än­dern sich ste­tig durch Muta­ti­on und machen somit die genaue Bestim­mung schwer.


Influenzavirus

Influ­en­za­vi­ren sind ein­zel­strän­gi­ge RNS-Viren mit heli­ka­lem Cap­sid und einer Hül­le, die mit zwei Haupt­re­zep­to­ren besetzt sind (Häm­ag­glu­ti­nin und Neu­r­a­mi­ni­da­se). Die­se Rezep­to­ren bestim­men die Anti­ge­ni­tät und den Virus­typ (z.B. H1N1, H3N1 etc). Durch Punkt­mu­ta­tio­nen (Anti­gen­drift) auf der Virus­ober­flä­che ver­än­dert sich die Anti­ge­ni­tät ste­tig. Wenn es ein­mal zur einer Dop­pel­in­fek­ti­on mit einem ande­ren Typ kommt, führt das bei der Repli­ka­ti­on (Ver­meh­rungs­zy­klus) zum Aus­tausch von Gen­se­quen­zen in der RNS. Das nennt man dann Anti­gens­hift. In sol­chen Fäl­len trifft unser Immun­sys­tem dann auf ein völ­lig neu­es Virus und es kommt dann zu Pan­epi­de­mien wie z.B. 1918 die Spa­ni­sche Grip­pe oder 1950 die Hong­kong-Grip­pe. Man schätzt das Zeit­in­ter­vall auf 10 — 15 Jahre.

Impfstoff

Frü­her wur­de der Impf­stoff aus­schließ­lich in Hüh­ner­ei­ern her­ge­stellt. Die unter­schied­li­chen Anti­ge­ne wer­den in die Cho­rio-Allan­tois-Mem­bran des Eies inji­ziert. Durch einen Pro­zess, den man Reas­sor­tie­rung nennt, wer­den die unter­schied­li­chen Anti­ge­ne zu einem Impf­stoff ver­mischt. Der Vor­gang dau­ert unge­fähr 5 — 6 Wochen. Schnel­ler geht es auf Zell­kul­tu­ren mit soge­nann­ten Ver­o­zel­len. Ein wei­te­rer posi­ti­ver Aspekt die­ser Metho­de ist die höhe­re Pass­ge­nau­ig­keit der Anti­kör­per, da hier die pro­duk­ti­ons­be­ding­ten Eiadapt­a­tio­nen feh­len. Bei den moder­nen Impf­stof­fen han­delt es sich um Pro­duk­te mit 4 Anti­ge­nen, die auf Zell­kul­tu­ren her­ge­stellt werden.


Impfklientel

Laut STIKO (Stän­di­ge Impf­ko­mis­si­on des Robert-Koch-Insti­tu­tes) wird eine Grip­pe­schutz­imp­fung im Herbst emp­foh­len. Beim Kli­en­tel sind es in ers­ter Linie Per­so­nen über 60 Jah­re und chro­nisch kran­ke Men­schen. Aber auch Per­so­nen, die häu­fig Publi­kums­ver­kehr haben, wird die Imp­fung emp­foh­len. Das kann man fast gene­rell auf die arbei­ten­de Bevöl­ke­rung beziehen.


Impfaktionen

Es ist eine schö­ne Tra­di­ti­on, dass Arbeits- und Betriebs­me­di­zi­ner in Betrie­ben zur ent­spre­chen­den Jah­res­zeit die Grip­pe­schutz­imp­fung anbie­ten. Was in Groß­kon­zer­nen schon seit Jah­ren durch­ge­führt wird erreicht jetzt auch die Mit­tel­stands­be­trie­be. Vor­teil die­ser Metho­de ist, dass die Mit­ar­bei­ter kei­nen Ter­min mehr bei Ihren Haus­ärz­ten machen müs­sen und für die Imp­fung selbst auch eini­ge Fahr- und War­te­zeit mit­brin­gen müs­sen. Beim Arbeits­me­di­zi­ner ist es ein klei­ner Weg vom Arbeits­platz zur Werk­arzt­ab­tei­lung bezie­hungs­wei­se einen dafür vor­ge­se­he­nen Raum für den exter­nen Arzt in einem Mit­tel­stands­be­trieb ohne werk­ärzt­li­chen Dienst. So erhofft man sich eine höhe­re Teil­nah­me­quo­te. Da die Grip­pe­schutz­imp­fung eine Kas­sen­leis­tung ist kann der betrof­fe­ne Betrieb bei der jewei­li­gen Kran­ken­kas­se die Kos­ten zur Erstat­tung ein­rei­chen und bekommt das vor­ge­leg­te Geld zurück. Der Wert der Imp­fung ist unbe­strit­ten und bei regel­mä­ßi­ger Teil­nah­me erhält man über die Jah­re hin­weg eine gute Immu­ni­tät gegen­über allen exis­tie­ren­den Anti­ge­nen, der Impf­schutz natür­lich län­ger als ein Jahr hält und die Anti­ge­ne jähr­lich wech­seln. Auch wenn Muta­tio­nen die Virus­re­zep­to­ren ver­än­dern, hat man trotz­dem eine gut aus­ge­präg­te Teil­im­mu­ni­tät, was den Krank­heits­ver­lauf deut­lich abschwächt. Wenn Sie für Ihren Betrieb eine Akti­on zum Grip­pe­schutz pla­nen, dann wen­den Sie sich an Ihren Arbeits­me­di­zi­ner — der hilft Ihnen bestimmt weiter.

Über den Autor

Dr. med. Klaus Merle

Facharzt für Allgemeinmedizin und Arbeitsmedizin

Sportmedizin / Reisemedizin / Chirotherapie..

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