Überblick
Mehr als 70.000 Menschen jährlich erleiden deutschlandweit außerhalb eines Krankenhauses einen plötzlichen Herz-Kreislaufstillstand. Da der Rettungsdienst durchschnittlich acht bis zehn Minuten zur Einsatzstelle benötigt, kann man mit einer Herzdruckmassage lebensrettende Maßnahmen ergreifen. Die sogenannte Laienreanimation kann Tausende von Leben retten – so wie es bei der Fußball-EM Millionen von Menschen live im Fernsehen mitverfolgen konnten. In Deutschland helfen aber noch zu wenige. Die vom Deutschen Reanimationsregister veröffentlichte Laienreanimationsquote für 2020 liegt bei ungefähr 40 %. Vor Beginn der Initiative WRAH lag Deutschland im Europavergleich ausgewählter Nationen an vorletzter Stelle.
Der Deutsche Rat für Wiederbelebung e.V. (German Resuscitation Council; GRC) und viele andere bemühen sich seit Jahren, dass die Menschen in Sachen Laienreanimation motiviert und trainiert werden. Mit Erfolg! Die Laienreanimationsquote lag 2012 zu Beginn der Ausbildungs- und Aufklärungsaktivitäten deutschlandweit bei unter 20%. Das Deutsche Reanimationsregister der DGAI hat die Zahlen für das Jahr 2020 nun bekannt gegeben. Demnach lag 2020 die Laienreanimationsquote bei 40,4% — mehr als eine Verdoppelung in acht Jahren.
Da eine effiziente Beamtmung durch Laien schwierig und zeitaufwendig ist hat man beschlossen, dass Laien lediglich eine effektive Herzdruckmassage durchführen und auf die Beatmung verzichten. Der durch die Pause erzeugte Druckabfall im Kreislaufsystem schadet mehr als die Beatmung nutzt. Bis 8 min nach Herzstillstand laufen beide Kurven deckungsgleich, erst danach wirkt sich eine Beatmung aus. Häufig ist dann aber schon der Rettungsdienst vor Ort und kann die Reanimation professionell weiterführen.
Die oben aufgeführte Tabelle zeigt, dass ungefähr bei einem Drittel die Laienreanimation durchgeführt wurde. Der Beginn der Maßnahmen lag bei Laienreanimation bei unter 3 min, ohne Laienreanimation bei über 9 min (Eintreffen des Rettungsdienstes). Ein defibrillierbarer Rhythmus nach Laienreanimation lag mit 1/3 deutlich höher als ohne Laienreanimation (1/5), was wiederum Einfluss auf die Überlebenschance hat. Die “30-Tage-lebend entlassen” war mit Laienreanimation doppelt so hoch als ohne. Das sind Zahlen, die die Wichtigkeit der Laienreanimation deutlich unterstreichen.
Physiologie der Vitalorgane
Das essentielle Element für das Leben ist der Sauerstoff, der bei der Verbrennung von Nährstoffen zur Energiegewinnung (ATP) unbedingt erforderlich ist. Unter Vitalorganen verstehen wir die Organe, die den Sauerstoff aus der Luft in die Körperzelle transportieren und ohne die Leben nicht funktioniert. Dazu zählen Herz, Lunge, Blut und Kreislaufsystem sowie das Gehirn als Steuerungsorgan.
Der Sauerstoff (21 % Anteil in der Luft) gelangt durch die muskulär induzierte Brustkorbvergrößerung beim Einatmen in die Lunge. In den Lungenbläschen findet durch Diffusion anhand eines Konzentrationsgefälles der Sauerstofftransport in die Kapilargefäße der Alveolen statt. Hier wird der Sauerstoff an das Hämoglobin als Sauerstoffträger im Blut gebunden und über das arterielle Gefäßsystem weiter in jede Körperzelle transportiert. Auf dem Rückweg wird Kohlendioxid als Abfallprodukt der Verbrennung über das venöse Gefäßsystem in die Lunge gebracht und abgeatmet. Als Pumpe dient das Herz, damit das Blut durch das Gefäßsystem fließt. Über das vegetative Nervensystem wird ständig der Bedarf des Sauerstoffes gemessen und das Vitalsystem entsprechend angepasst (Blutdruck, Herzfrequenz, Atmungsrate etc.).
Ursachen des Herzstillstandes
Der mechanische Herzstillstand ist das letzte Ergebnis von unterschiedlichen Ausgangssituationen:
- Sauerstoffmangel durch verminderte Koronarperfusion oder entzündliche Veränderungen im Herzmuskel (Narbenbildung) können pathologische Herzrhythmusstörungen auslösen, die letztendlich ein Kammerflimmern und somit einen mechanischen Herzstillstand hervorrufen können.
- Eine Thoraxkompression bei Unfällen (Autounfall, Absturz etc.) kann zu einer traumatischen Veränderung am Herzen und so zu einem Herzstillstand führen.
- Sauerstoffmangel durch Ateminsuffizienz (insbesondere bei Säuglingen und Kleinkindern) kann ebenfalls einen Herzstillstand erzeugen.
Während die beiden letzten Zustände eher fatal und wenig beeinflussbar sind kann man bei rhythmusbedingten Störungen wie Kammerflimmern relativ erfolgreich intervenieren, wenn man rechtzeitig damit beginnt. Und hier kommt es entscheidend auf den Laienhelfer an, der den Beginn des Ereignisses miterlebt und bei entsprechenden Kenntnissen und Fertigkeiten Leben retten kann.
CPR (cardiopulmonale Reanimation)
initial
Zunächst wird Bewusstseinszustand (Ansprechen, Schmerzreiz), Atmung (Brustkorb-/Bauchbewegung) und Puls (Halsschlagader) geprüft und bei Nicht-Vorhandsein sofort mit der Herzdruckmassage begonnen, um keine Zeit zu verlieren. Parall dazu wählt man die 112 und spricht über Lautsprecher mit der Leitstelle. Es ist enorm wichtig, keine Zeit zu verlieren, da die Prognose mit zunehmender Zeit schlechter wird.
Kriterien der qualitativ hochwertigen Thoraxkompression
- Kompressionsfrequenz: 100 — 120/min
- Kompressionstiefe: 4 — 5 cm
- vollständige Entlastung nach Kompression
- Kompressionspausen: < 10 sec
- Wechsel der Helfer: alle 2 min
Wichtig ist weiterhin eine harte Unterlage, die nicht nachgibt, damit das Herz zwischen Brustbein und Wirbelsäule zusammengedrückt werden kann. Für die Ergonomie muss der Helfer darauf achten, dass die Arme im Ellenbogen gestreckt sind und eine Senkrechte zur Körperoberfläche bilden. Die Kraft für den Druck kommt dann aus der Rückenmuskulatur. Damit wird der Ermüdungsfaktor möglichst gering gehalten und der Helfer kann länger effektiv reanimieren. Bei gegebener Möglichkeit soll der Helfer immer nach 2 min gewechselt werden. Dabei bietet sich die Rhythmuskontrolle an.
Einsatz eines AED (automatischer externer Defibrillator)
Das untere Schema zeigt das Szenario der Laienreanimation. Es ist wichtig, dass die CPR sofort begonnen, nicht unterbrochen und der AED von einer 2. Person geholt wird. Sobald der AED vor Ort ist werden die PADs angelegt und eine Rhythmuskontrolle durchgeführt. Wenn ein defibrillierbarer Rhythmus vorliegt wird sofort ein Schock ausgelöst. Bei nicht-defibrillierbarem Rhythmus wird die CPR weitergeführt und nach 2 min erneut kontrolliert. Dieser Rhythmus wird solange fortgeführt, bis entweder der Rettungsdienst übernimmt oder schon vorher eine stabile Kreislaufsituation nach erfolgreicer Defibrillation vorliegt.
Motivation und Training
Eingangs habe ich beschrieben, welche Bedeutung die Laienreanimation für eine vollständige Genesung nach einem Herzstillstand hat. Auch zeigen die Zahlen, dass wir bei der Bereitschaft der Menschen für die Laienreanimation noch viel Luft nach oben haben. Hindernis ist häufig die Befürchtung, etwas falsch zu machen und die Berührungsangst beim Auffinden eines leblosen Menschen. Beides gilt es zu überwinden und nach Möglichkeiten zu suchen, die Menschen erkennen zu lassen, wie wichtig ein Einsatz für das Überleben eines Betroffenen ist und damit für ein Training zu motivieren. Jeder kann selbst der Nächste sein. Wenn man nun nach Möglichkeiten sucht, dann bietet sich der betriebliche Alltag regelrecht an. Nirgendwo kann ich Menschen in breiter Masse besser ansprechen und nirgendwo lässt es sich besser umsetzen. Deshalb geht eine große Bitte an die Unternehmensverantwortlichen, Angebote von Betriebsärzten ernst zu nehmen und bei der Umsetzung zu unterstützen.