Im Juni 2001 war ich zu einer reisemedizinischen Weiterbildung beim Forum Reisemedizin in München. In einer Pause fand ich beim Herumstöbern in den Auslagen einen Flyer, wo Werner Kalbfleisch aus Staig als Konzessionär für das Bordhospital der MS Astoria Ärzte suchte. 20 Jahre Medizin von der Stange, da braucht es auch mal was anderes. Das war mein erster Gedanke und der Schritt zur Bewerbung. Nachdem ich mich im November 2001 bei Werner vorgestellt hatte war ich dabei. Aufgrund der Verzögerung der Zusage meiner Berufshaftpflicht konnte ich 2002 keine Einsätze mehr bekommen. Im März 2003 war es dann soweit. In Venedig begann meine erste Tour. Es gab eine grobe Einweisung und ich fand mich “im kalten Wasser” wieder. Sechs Wochen durch das östliche und westliche Mittelmeer mit vielen kleinen und auch größeren Problemen. Aber mit dem normalen medizinischen Menschenverstand und der Hilfe vieler lieber Menschen an Bord habe ich alles geschafft und jeden Tag dazu gelernt. Man muss auch dazu sagen, dass die damaligen Regularien nicht so streng wie heute waren. Unter der Flagge der Bahamas mit Heimathafen Nassau war das möglich. Meine Frau war anfangs dagegen und als ich am 09.05.2003 abends um 23 Uhr nach Hause kam war ihre erste Rede: “Das war´s jetzt aber”. “Ja” habe ich gesagt und wusste nicht, was ich da versprochen hatte. Es hat nur 4 Wochen gedauert. Nachdem ich im Fernsehen eine Dokumentation über die Kreuzschifffahrt gesehen hatte habe ich Werner angerufen und 2 Minuten später hatte ich eine Tour 2004 zum Nordkap und der Ostsee ausgemacht. Nun hatte ich ein Problem. Ohne meine Frau wollte ich auf keinen Fall wieder fahren. Da blieb nur noch ein Trick: Zu Weihnachten habe ich ihr 14 Tage Nordreise mit Island, Spitzbergen, Nordkap und norwegische Fjorde geschenkt. Sie hatte in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen mit Schiffsreisen gemacht und brauchte daher fast 6 Wochen, bis sie sich entschieden hatte. Am 11.06.2004 sind wir in Bremerhaven eingestiegen. Nach anderthalb Tagen Seekrankheit, Vomex und viel Schlafen hatte sie bei unserer ersten Station in Kirkwall das Trauma überwunden. Begeisterung wie bei mir war eingetreten und am vorletzten Abend auf dem Crewdeck sagte sie. “Weißt du was, das machen wir nochmal”. So sind wir dabeigeblieben und haben in dieser Zeit unvergessliche Dinge erlebt. Das Gesetz der Seefahrt ist: Man hasst es oder man ist davon fasziniert, dazwischen gibt es nichts. 2012 wurde die MS Astor verkauft und Werner hat die Konzession zurückgegeben. Nach zwei Jahren habe ich mich bei TUI Cruises beworben und fahre seit dieser Zeit als Schiffsarzt auf der “Mein Schiff”-Flotte. Aufgrund der amerikanischen Reederei (Royal Caribbean) gibt es deutlich strengere Regularien und klare Vorgaben für den Schiffsarzt. Davon und vielen anderen schönen Dingen möchte ich auf den folgenden Seiten berichten.
Formales
Bewerbung
Bevor man als Schiffsarzt startet muss man erst einige Voraussetzungen schaffen. Beispielhaft für TUI Cruises finden sie unter diesem Link alle Informationen zur Bewerbung als Schiffsarzt, als Nurse oder als Infection Control Officer (ICO) im Bordhospital.
Vor dem Start
Neben den fachlichen Qualifikationen braucht man ein Seediensttauglichkeitszeugnis. Für diese Untersuchung gibt es zugelassene Ärzte der Berufsgenossenschaft, die man unter diesem Link findet.
Mit dem Ausfüllen und Unterschreiben der Application form doctor verpflichtet man sich, dass alle Unterlagen bis zum Start der Tätigkeit vorliegen. Erst danach erstellt die Personalabteilung von TUI die Vertragsunterlagen.
An- und Abreiseunterlagen (Flugtickets, ggf. Hotelbuchungen) werden dann zugestellt, wenn der Vertrag von beiden Seiten unterschrieben ist. TUI erlaubt Ärztinnen/-en, ihre Lebenspartner als Family Travel mitreisen zu lassen, wenn sie die Doctor’s Cabin gemeinsam nutzen. An- und Abreisekosten für Family Travel müssen selbst getragen werden.
Erste Tage auf dem Schiff
Bei Ankunft am Schiff meldet man sich bei der Security und wird am Gate vom zuständigen Crew Administrator abgeholt. In der Regel in der Crew Bar füllt man dann alle erforderlichen Unterlagen aus — insbesondere die allgemeinen Belehrungen. Weiterhin wird ein Bild angefertigt und die Crew Identity Card erstellt, die zur Identifikation als Crewmember dient und beim Verlassen bzw. Einsteigen die Abwesenheit / Anwesenheit an Bord dokumentiert. Reisepass und Seemannsbuch werden abgegeben. Danach wird man von seinem Vorgänger abgeholt und dem Personal des Bordhospitals vorgestellt. Anschließend erhält man im Store die Uniform und zieht in eine Übergangskabine ein. Der Umzug in die eigentliche Crew Cabin erfolgt, wenn der scheidende Arzt das Schiff verlässt. Für die Kabine erhält man zum Öffnen auch noch eine Cabin Card. Nach Absolvieren des Pre-Departure-Trainings wird die Safety Card vom Safety Office ausgehändigt, wo die Sicherheitskennzahl hinterlegt ist und man eine Beschreibung für seine Doings bei Bravo, Delta und Oskar findet. Weiterhin ist darauf der Sammelplatz für Abandon Ship festgehalten.
Während der Einweisungszeit von ungefähr einer Woche übergibt der scheidende Arzt dem neuen Arzt die Geschäfte. Dafür gibt es eine Checkliste und ein Übergabeprotokoll. Man wird in die Prozesse und die Geräte eingewiesen und erhält die Schlüssel im Security office. Weiterhin wird die Crew Identity Card zur Master Card (Zugang für alle Räumlichkeiten auf dem Schiff) aufgewertet. Über allem steht hier das SQM (Safety Quality Management), wo alle Prozesse bis in die letzte Konsequenz aufgeschrieben sind und strikt befolgt werden müssen.
Mandantory trainings
Neben den allgemeinen Voraussetzungen muss man auf dem Schiff in den ersten 14 Tagen noch zusätzliche Trainings absolvieren, die eine bestimmte Gültigkeit haben, bevor sie wiederholt werden müssen. Auskunft darüber gibt das Personalstammdatenblatt. Da es alles Trainings sind, die nach der SOLAS (Safety Of Life At Sea) vorgeschrieben werden haben sie auch Gültigkeit auf allen anderen Schiffen. Jedes Training endet mit einer Prüfung und für einige bekommt man auch ein Zertifikat.
Einstiegsvoraussetzungen | Zertifikate (auf dem Schiff) |
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Approbation und Facharzturkunde | Crowed Management Training.. |
Arztausweis | Cirsis Management Training |
Fachkunde Rettungsdienst oder Weiterbildung Notfallmedizin oder leitender Notarzt oder Nachweis regelmäßiger Tätigkeit in der Notfallmedizin + gültiges ACLS Zertifikat | Pre Depature Safety Training |
Fachkunde Strahlenschutz | Hotel Basic Safety Training |
PHTLS Zertifikat oder Facharzt für Chirurgie | Cultural Diversity |
PALS Zertifikat | Sexual Assault |
Certificate Of Good Standing (Einholung über die Ärztekammer) | Narcotic Smuggeling Substance Abuse |
Seediensttauglichkeitszeugnis | Workplace Safety Training |
Reisepass (Gültigkeit mind. ein Jahr ab Einsatzbeginn) | Zero Tolerance |
Impfnachweise Gelbfieber, MMRV und Hepatitis A + | Peronal Survival Techniques |
Security Awareness Certificate (wird online erworben) | Hazardous Substances |
Seemannsbuch/ Seeleuteausweis, wenn vorhanden | Save The Waves — Enviromental Training |
Security Awareness Training | |
PDST Train The Trainer | |
Actions to Control Fatique |
Profil und Struktur
Qualifikation und Anforderungsprofil
Das Hospitalteam besteht aus zwei Schiffsärzten/-ärztinnen, zwei Krankenpfleger/-innen und einem/r Rezeptionist/-in. Folgende Qualifikationen müssen für die entsprechende Tätigkeit nachgewiesen werden:
Schiffsarzt / Schiffsärztin
- Mindesteinsatzzeit: 6–7 Wochen
- Tabellarischer Lebenslauf inklusive Nachweis über Fortbildungspunkte
- Vorlage einer beglaubigten Kopie der Approbationsurkunde
- Beglaubigter Nachweis der Anerkennung als Facharzt / ‑ärztin für Allgemeinmedizin, Innere Medizin oder Chirurgie
- Fachkunde Rettungsdienst oder Zusatzbezeichnung Notfallmedizin oder nachgewiesene regelmäßige Tätigkeiten in der Notfallmedizin in Kombination mit einem gültigen Zertifikat Advanced Cardiac Life Support
- Gültiges Zertifikat Pediatric Advanced Life Support
- Gültiges Zertifikat Pre Hospital Trauma Life Support (ausgenommen Fachärzte für Chirurgie)
- Gültige Fachkunde Strahlenschutz
- Kenntnisse und Erfahrung in chirurgischer Wundversorgung
- Kenntnisse und Erfahrung in allgemeinmedizinischer Patientenversorgung
- Gültiges Seediensttauglichkeitszeugnis
- Gültige Impfnachweise Gelbfieber, MMRV und Hepatitis A + B (Alternativ Titer Bestimmung)
- Sehr gute Englischkenntnisse in Wort und Schrift
- Sicherer PC-Umgang mit Microsoft Office und Outlook
Examinierte/r Gesundheits- und Krankenpfeger/in
- Einsatzzeitraum: 3 Monate
- Vorlage einer beglaubigten Kopie der Examensurkunde als Gesundheits- und Krankenpfleger/in
- Mindestens 3 Jahre Berufserfahrung, davon mind. 6 Monate Erfahrung in der Notfallambulanz und/oder auf Intensivstation
- Gültiges “Advanced Cardiac Life Support” (ACLS) – Zertifikat oder die Fachweiterbildung Intensivmedizin
- Routinierte Erfahrung mit Beatmungsgeräten und Defibrillatoren
- Gipskenntnisse
- Gültiges Seediensttauglichkeitszeugnis
- Gültige Impfnachweise Gelbfieber, MMRV und Hepatitis A + B (Alternativ Titer Bestimmung)
- Konzentrierte und akkurate Arbeitsweise
- Sehr gute Englischkenntnisse in Wort und Schrift
- Sicherer Umgang mit Microsoft Office und Outlook
Infection Control Officer (ICO)
- Studienabschluss im Bereich Gesundheitswissenschaften, Mikrobiologie, Medizintechnik oder Vergleichbares.
- Alternativ abgeschlossene Aus-/ Weiterbildung als Hygienefachkraft bzw. abgeschlossene Ausbildung als Gesundheits- und Krankenpfleger mit mindestens zweijährige Berufstätigkeit und staatlich anerkannter Weiterbildung zur Hygienefachkraft
- Mindestens 1 Jahr Erfahrung in der Durchführung und Bewertung von Programmen zur Infektionskontrolle und der Zusammenarbeit mit Aufsichtsbehörden oder 1 Jahr Berufserfahrung mit einem früheren Hintergrund in der Infektionsprävention
- Die Einsatzzeit beträgt ca. 3 Monate, sollte dies für Sie nicht passen, suchen wir hier gern eine gemeinsame Lösung
- Sie arbeiten teamorientiert, selbstständig und strukturiert, sind kommunikativ und zeichnen sichh durch Ihr Engagement und Flexibilität aus
- Darüber hinaus sind Sie in der Lage auch in Konfliktsituationen tragfähige Entscheidungen zu treffen und zu vertreten
- Sehr gute Englischkenntnisse- und gute Deutschkenntnisse in Wort und Schrift
- Sicherer Umgang mit Microsoft Office und Outlook
- Gültiges Seediensttauglichkeitszeugnis
- Gültige Impfnachweise Gelbfieber, MMRV und Hepatitis A + B (Alternativ Titer Bestimmung)
Die Position des ICO wurde in Zeiten der Corona-Pandemie neu geschaffen. Das Aufgabenprofil sieht wie folgt aus:
- Surveillance von Infektionskrankheiten sowie entsprechende Dokumentation zur Erkennung, Erfassung, Bewertung und Nachverfolgung
- Überwachung aller hygienerelevanten und infektionspräventiver Arbeitsabläufe inkl. regelmäßiger Begehungen
- Planung und Unterstützung bei der Durchführung von Antigentests bei Gästen und Besatzungsmitgliedern
- Auswertung des Gesundheitsfragebogens und der täglichen Temperaturkontrollen
- Selbstständige Organisation und Durchführung von Trainings für die Crew, sowie das Hospitalteam (inkl. entsprechen-der Überwachung) zu den Bereichen Public Health, OPP-Protokolle, COVID-19 und Medical Waste Management
- Überwacht die Ausführung des unternehmensinternen “Outbreak Prevention Plans”
- Überwacht die Ausführung des Isolations- und Quarantäneplans.
- Sicherstellung der Erfüllung aller behördlichen Hygienevorgaben (u.a. EU Shipsan/ USPH- Vessel Sanitation Program) sowie Verantwortung für das entsprechende Qualitätsmanagement
Organigramm
Dienstgrade
Die Ärzte haben auf ihren Dienstgradabzeichen 3½ Streifen. Im Dienstgrad höher sind nur Captain mit 4½ Streifen, Staff Captain, Chief Engineer und General Manager mit jeweils 4 Streifen. Der Infection Control Officer (ICO) hat 3 Streifen.Die Nurses haben 2½ Streifen.
Dienstzeiten
- Crew täglich von 8 bis 9 Uhr und von 17 bis 18 Uhr
- Passagiere täglich von 9 bis 11 Uhr und von 18 bis 20 Uhr.
Für akute Krankheitssituationen können sich Crew und Paxe an die Schiffsrezeption wenden, die dann das diensthabende Team informieren.
Medical Team / Stretcher Team
Das Hospital hat für Notfalleinsätze ein Stretcher Team zur Verfügung. Neben einem Security Man (Orientierung auf dem Schiff) sind es alles Mitarbeiter aus anderen Departments (Hotel, Restaurant, Cabin Service, Galley, Laundry etc.). Im Organisationsplan sind wir Team 6. In regelmäßigen Abständen führt das Medical Team Trainings mit dem Stretcher Team durch. Über die Inhalte entscheidet der Senior Doctor und richtet sein Augenmerk dabei auf den allgemeinen Kenntnisstand des Teams und ggf. Schwächen, die bei den Drills aufgefallen sind. Das Medical Team hat die Aufgabe, das Notfallequipment an den Notfallort zu bringen und bei dem Transport zu unterstützen. Ein Problem ist die hohe Fluktation im Team. Um im Notfall zu funktionieren muss regelmäßig trainiert werden.
Abschied
Ein schöner Brauch ist das Willkommens- bzw. Abschiedsessen im Restaurant, wo wir eigentlich immer unseren Stammplatz haben.
Hospital
Rundgang
Über die Seite von TUI Cruises kann man sich das Hospital (hier Mein Schiff 6 als neueres Modell) anschauen.
Ausstattung
Die Ausstattung ist annähernd vergleichbar mit einem Krankenhaus der Erstversorgung (ohne OP-Bereich). Im Einzelnen sind das:
- vollständige Ausstattung eines Intensivbettes mit Überwachung von Herzrhythmus, Blutdruck, Kapnographie, Infusomat und Beatmungsgerät
- Cardiopuls mit Defibrillation und Schrittmacher
- Sonographiegerät mit Schallköpfen von 3,5 MHz, 5 MHz und 10 MHz für Oberbauch, Gefäße und 4‑Kammerblick vom Herzen (keine Echosonde)
- Op-Tisch mit Beleuchtung und umfangreichem chirurgischem Instrumentarium
- mobile Röntgeneinheit für Knochen und Thorax mit digitaler Bildgebung und Speicherung
- Labor mit Reflotron, Brutschrank, Zentrifuge und Sterilisator
- Drogenscreening
- Alkoholtester
- Apotheke mit ausgewählten Medikamenten für nahezu alle Indikationen
- Narkotika und Psychopharmaka unter Verschluss
- Spineboard und Schaufeltrage
- fahrbare Liege
- Notfallrucksack für Erwachsene und Kinder
- Inhalations- und Sauerstoffgerät
- Kühlcontainer für Leichenüberführung zum nächsten Hafen
- Praxissoftware HMS für die Dokumentation
Weiterhin haben wir eine Reanimationspuppe, wo wir mit dem Stretcher Team immer wieder Herz-Lungen-Wiederbelebung üben und bei neuen Crewmitgliedern Erste-Hilfe trainieren.
Sprechstunde
Sprechzeiten
Anmeldung
Täglich finden Regelsprechstunden statt. Für Passagiere und Crewmembers sind unterschiedliche Sprechzeiten festgelegt. Passagiere und Crewmembers melden sich an der Rezeption des Bordhospitals an. Mit der Bordkarte werden die Personaldaten im HMS erfasst und die Personen in eine Wartezimmerliste aufgenommen. Diese Warteliste sieht der Schiffsarzt auf seinem Rechner und ruft die Patienten der Reihe nach auf. Patienten, die zu Behandlungen (Verbandwechsel, Inhalationen, physikalische Therapie, Infusionen etc.) kommen, übernimmt direkt die Schwester. Im Sprechzimmer werden die Patienten untersucht, je nach Bedarf können dann Untersuchungen wie Röntgen, Sonographie, EKG oder kleinere operative Versorgungen in den entsprechenden Räumlichkeiten durchgeführt werden. Erforderliche Medikamente gibt der Schiffsarzt direkt aus der Bordapotheke an die Patienten weiter. Alle Leistungen — auch die Sachleistungen wie Medikamente, Verbandmaterial, Schienen etc. — werden in das Dokumentationssystem eingetragen und abgerechnet.
Überweisungen
Sollte man mit seinem Latein an Bord am Ende sein kann für die Patienten auch ein Facharzttermin an Land (HNO, Dermatologie, Urologie, Zahnarzt etc.) vereinbart werden. Dafür gibt es in jedem Hafen einen Agenten, dessen Kontaktdaten bekannt sind und der dann die Patienten am Schiff abholt, zum Facharzt begleitet und wieder an Bord zurückbringt. Termine über den Agenten werden bei Passagieren vom First Purser und bei Crewmembers vom Crew Administrator beantragt. Der Schiffsarzt stellt dann das Referral — eine Art “Überweisung” — in Englisch aus, wo die Befunde und die Fragestellung dokumentiert werden. Bei Rückkehr bringt der Patient einen Arztbrief mit — wenn man Glück hat in gutem Englisch, manchmal schlechtes Englisch, manchmal gar kein Englisch. Dann sucht man unter der Crew jemand, der dieser Sprache mächtig ist und übersetzen kann.
Disembarkation
Wenn der Patient zu einem längeren Aufenthalt an Land bleiben muss ist eine Ausschiffung erforderlich. Auch hier wird wieder der Agent bemüht. Bei Crewmembers geht das erneut über den Crew Administrator, bei Passagieren über das Bordreisebüro und eine Mittelsorganisation — MedCon (Sitz in der Schweiz). Bei Crewmembers reicht ein Arztbrief in Englisch mit Diagnosen und Befunden. Bei Passagieren wird neben dem Arztbrief ein fünfseitiges Formular von MedCon ausgefüllt, da hier ja der Kontakt zum jeweiligen Auslandskrankenversicherer bezüglich der Kostenübernahme hergestellt werden muss. Dann wird der Patient in den meisten Fällen vom RTW abgeholt. Notfallsituationen beschreibe ich an entsprechender Stelle.
Abrechnung
Bei Notfällen mit Ausschiffung sofort und ansonsten nach der täglichen Abendsprechstunde werden die Rechnungen ausgestellt. Abrechnungsgrundlage ist die Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ). Aufgrund der Vorhaltung eines Hospitals mit nahezu Krankenhauscharakter und den damit verbundenen Vorhaltekosten wird ein höherer Gebührensatz als normal angenommen. Die Rechnungen werden zum Housekeeping gebracht, wo sie die Kabinenstewards in die entsprechenden Kabinen verteilen. Die Patienten begleichen die Rechnung am letzten Tag an Bord. Sie gehen also in Vorlage und erhalten das Geld nach Einreichung bei der Auslandskrankenversicherung zurück — wenn sie versichert sind. Die gesetzliche Krankenkassen und auch die privaten Krankenversicherungen übernehmen — wenn überhaupt — nur den in Deutschland üblichen Anteil. Da immer was passieren kann — egal wie alt man ist — ist ein Abschluss einer Auslandskrankenversicherung essentiell. Die Kosten, auf denen man ohne Versicherung sitzen bleibt sind nicht gerade Peanuts.
Deklarationen
- Sick-List: Liste aller Erkrankten an Bord — unterschieden nach Crew und PAX. Arbeitsunfähigkeit und Isolation wird ebenfalls vermerkt.
- Health declaration: Die Health declaration ist letztendlich ein Auszug aus der Sick List, die für den Kapitän vorbereitet und von ihm und dem Senior Doc unterschrieben wird. Sie muss für die Schiffsfreigabe durch die jeweils örtliche Behörde vorgelegt werden. Sie wird nur benötigt, wenn bis zur nächsten Frist in einem Hafen angelegt wird, d.h. für Seetage ist sie nicht erforderlich
- Narcotic Declaration: Hier sind die genauen Mengen aller BTM-Medikamte aufzuführen, die in den jeweiligen Narcotic Safes oder den Notfalltaschen liegen. Für diese Liste gilt das gleiche Procedere wie für die Health declaration
- GI-Log: Der GI-Log wird am Ende jeden Tages — auch ohne Aufzeichnungen — an den Verteilerkreis geschickt.
Notfälle
Starcode
Der Starcode ist der Code für einen absoluten Notfall an Bord, bei dem sich das gesamte Hospital- und Stretcherteam unverzüglich an den Ort des Geschehens begibt. Das Starcodeteam besteht aus dem kompletten Bordhospitalteam (zwei Doctors und zwei Nurses) und dem Stretcherteam. Zum Stretcherteam gehören zehn fest dafür vorgesehene Crewmitglieder, die für den Transport des Patienten mittels Stretcherliege, Spineboard oder Vakuummatratze und Hilfsmittel (AED, Absauggerät usw.) an den Einsatzort zuständig sind.
In einer Notfallsituation an Bord, bei der sofortige medizinische Hilfe notwendig ist, wird über das Lautsprechersystem von der Brücke aus der Starcode-Alarm (Starcode –Starcode –Starcode) mit Angabe des Ortes durchgesagt. Um den Starcodealarm auszulösen muss auf der Brücke angerufen und der Notfall sowie der Ort geschildert werden. Meistens geschieht das durch Crewmember in den entsprechenden Departments, die dafür auch zu Beginn ihrer Tätigkeit eine Einweisung bekommen (First Aid Training). Die Informationen müssen auf Englisch weitergeben werden. Die Nurse on duty begibt sich sofort ins Hospital, schließt dort alle Türen auf, nimmt die erforderliche Ausrüstung mit und begibt sich dann an den Ort des Geschehens. Die Türen des Hospitals bleiben für das Stretcherteam geöffnet. Diese bringen die gekennzeichneten Notfallutensilien an den Unfallort. Alle weiteren sich an Bord befindenden Hospitalteammitglieder finden sich sofort an der Notfallstelle ein.
Nach Stabilisierung des Patienten vor Ort erfolgt die genauere Untersuchung und weitere Stabilisierung im Bordhospital. Eine Meldung an die Brücke über den aktuellen Status hat sobald wie möglich vom Senior Doctor zu erfolgen.
Seenotrettung und Notausschiffung
Unter besonderen Umständen kann die Notwendigkeit bestehen, dass eine Notausschiffung per Helikopter erfolgen muss. Dies ist der Fall, wenn sich das Schiff auf hoher See befindet und aufgrund der Dringlichkeit die Zeit den nächsten Hafen anzulaufen zu lang dauert (in der Regel an Schiffstagen). Die Bestellung des Rettungshubschraubers erfolgt durch die Brücke. Da der Helikopter nicht landen kann, wird der Patient per Seilzug mit der Krankentrage des Helikopters von Bord gebracht. Dafür ist auf jedem Schiff ein besonderer Platz ausgewiesen. Sobald die Ankunftszeit des Helikopters feststeht, wird der Bereich rund um den Landeplatz weiträumig evakuiert. Schiffspersonal wird an wichtigen Zugängen positioniert, um Schaulustige aus dem Ausschiffungsbereich zu halten. Kurz vor dem Eintreffen des Hubschraubers wird der Patient per Krankentrage von Bordhospital zum Landeplatz befördert. Per Helikopter kann im Normalfall ausschließlich der Patient notausgeschifft werden, die Begleitperson kann nicht mitfliegen.
Drill und Training
Geschichte
Etwa 350 Seemeilen SSW-lich von Neufundland kollidierte auf ihrer Jungfernfahrt die Titanic am 14. April 1912 um 23.40 Uhr mit einem Eisberg. Das seinerzeit größte Schiff der Welt sank innerhalb von 2 Stunden und 40 Minuten. Da die Anzahl der Rettungsboote nicht ausreichend bemessen war, konnten sich von den 2.207 an Bord befindlichen Personen nur 711 retten. Der Untergang der Titanic hatte eine grundlegende Verbesserung der Sicherheitsmaßnahmen auf See (u.a. die erste SOLAS-Konvention) zur Folge.
Vor der Küste Finnlands brach am 28.09.1994 nachts bei schwerer See die Bugklappe der estnischen Fähre Estonia ab. Durch Überflutung des Fahrzeugdecks kenterte das Schiff und sank innerhalb von 20 Minuten. 852 Menschen mussten sterben, 137 Menschen überlebten das Unglück.
Das italienische Kreuzfahrtschiff Costa Concordia (114.147 BRZ) fuhr am 13.01.2012 einen fahrlässigen Kurs dicht an Land nahe der Insel Giglio (vor dem Monte Argentario in Italien) und lief gegen 22:00 Uhr auf einen der Insel vorgelagerten Felsen auf, wobei der Rumpf über fast 70 m Länge aufgerissen wurde. Das Schiff kenterte anschließend in Küstennähe, die Backbordseite sowie die Aufbauten des Schiffes ragten noch aus dem Wasser. 32 Menschen wurden bei dem Unglück getötet. An Bord hatten sich zum Unglückszeitpunkt etwa 4.200 Menschen befunden. Einige Passagiere ertranken oder starben an einem Herzinfarkt, nachdem sie in Panik ins Wasser gesprungen waren. Der Kapitän Francesco Schettino verließ vorzeitig das Schiff. Am 11. Februar 2015 wurde er zu 16 Jahren Haft verurteilt.
Die drei Katastrophen sollen stellvertretend für viele Schiffunglücke genannt werden. Und bei allen gab es immer etwas zu verbessern. Nach dem Untergang der Titanic wurde 1914 die erste SOLAS (Safety Of Life At Sea) verabschiedet, die das Leben auf den Schiffen regelt. Unter anderem wurden damals zum ersten Mal ausreichend Rettungsboote für alle gefordert. Weiterhin musste jedes Schiff flächendeckend mit Bordlautsprechern ausgestattet werden. Auch regelmäßige Übungen der Crew zum besseren Handling von Notfallsituationen (in erster Linie Feuer) wurden in der Vorschrift verankert. Als Folge der Concordia-Katastrophe wurde die Durchführung der Seenot-Rettungsübung für Passagiere noch im Hafen vor dem ersten Ablegen vorgeschrieben.
Vorschriften
Basis für alle Regelungen auf dem Schiff ist die SOLAS. An Bord umgesetzt wird es durch das sogenannte SQM (Safety Quality Management). Für die Einhaltung dieser Vorschriften ist der Kapitän verantwortlich. Dabei unterstützt wird er vom Staff Captain und dem Chief Safety Officer.
Schedule
Der Chief Safety Officer stellt für jeden Monat einen Terminkalender mit allen Drills und Trainings zusammen. Der General Emergency Drill ist für alle Crewmembers. Teamtrainings machen die festgelegten Teams für sich (Hospital: Individuel Instruction Training 6). Weiterhin sind die ganzen persönlichen Trainings aufgelistet. Am Vorabend von solchen Trainings findet man auf dem Safety Board eine Teilnehmerliste der entsprechenden Trainings.
Alarmsignale
Nach dem Ertönen des General Emergency Signal begeben sich alle Mitlieder vom Team 6 in das Hospital und warten dort auf weitere Anweisungen. Die Vollständigkeit wird per Sicherheitskennzahl an die Brücke gemeldet. Die Leitung haben der Chief Safety Officer und der Staff Captain. Im Hospital wird schon mal ein Einsatz vorbereitet. Beim Drill ist das Off-Duty-Team im Einsatz, das On-Duty-Team macht die Realversorgung weiter. Wenn nun die Fire Patrols einen Verletzten im Bereich des Feuers finden wird das Team 6 alarmiert. Im Team haben wir einen Security man, der sich mit den örtlichen Gegebenheiten auskennt. Er führt uns auf sicherem Weg durchs Schiff in die sog. Staging area, den ersten Bereich außerhalb der Feuerzone, der sicher ist. Er wird vom Chief Safety Officer festgelegt. In der Staging area wird der Verletzte von der Fire Patrol übernommen, erstversorgt und ins Hospital abtransportiert. Dort wird er weiterversorgt. Die Lage auf dem Schiff wird weiter beobachtet und wenn der Captain im worst case das “abandon ship” anordnet bringt das Medical Team den Verletzten in das vorgesehene Rettungsboot zum Verlassen des Schiffes. Lifeboats und Liferafts sind nummeriert. Auf dem Schiff ist die Portside links und die Starboardsite rechts. Dabei sind auf der Starboardseite alle ungeraden Nummern und auf der Portside alle geraden Nummern. Die Sammelplätze der Crew bei den Life Rafts für Abandon ship sind ebenfalls mit Nummern nach der obigen Regel versehen. Man findet sie auch auf den Safety Cards. Der Senior Doc hat 1/1, der Junior Doc 2/1. Die entsprechenden Nurses haben 1/2 und 2/2. Damit endet dann die Übung und zur Abschlussbesprechung treffen sich alle Teamleiter auf der Brücke, wo Fehler angesprochen werden und über Verbesserung beraten wird.
Man-Over-Bord
Bei diesem Drill wird die Bergung eines Schiffbrüchigen geübt, der über Bord gegangen ist. Nach Eingang der Notfallmeldung (das Codewort ist Oskar) werden die aktuellen Koordinaten der Schiffsposition auf der Brücke festgehalten. Einem so großen Schiff ist es natürlich nicht möglich, aufgrund der mächtigen Trägheit auf der Stelle stehen zu bleiben. Nach Abstoppen wird der “Rückwärtsgang” eingelegt und das Schiff fährt im großen Bogen zum festgelegten Punkt zurück. Wenn man Glück hat findet man den Schiffbrüchigen, der dann mit dem Rettungsboot geborgen wird. Der Senior Doc fährt zur Erstversorgung mit dem Rettungsboot raus, der Junior Doc wartet mit den Nurses und dem Stretcherteam an Bord — bei normalem Seegang an der Shelldoor, bei starkem Seegang auf dem Bootsdeck. Die Mannschaft des Rettungsbootes und insbesondere die, die dann vielleicht zur Rettung ins kalte Wasser müssen. sind mit einem entsprechenden Schutzanzug ausgestattet. Die Wahrscheinlichkeit, einen über Bord gegangenen Menschen wiederzufinden und zu retten, ist gering, aber nicht unmöglich. Je nach Dauer im kalten Wasser ist die größte medizinische Gefahrenquelle die Hypothermie.
Bombenalarm
Bei diesem Drill wird eine vermutete Bombe gesucht. Unterstützt wird der Captain dabei vom Staff Capatin und dem Chief Security Officer. Der Alarmcode ist “Delta”. Jedes Department erhält in einem verschlossenen Umschlag, den der Head of Department auf der Brücke abholt, die Auflistung der Zonen, die durch das Team durchsucht werden sollen. Danach werden vom Team die zugeordneten Bereiche auf Bomben überprüft. Bei Auffälligkeiten wird sofort an die Brücke (nicht über Funk, ausschließlich über das Festnetz) gemeldet. Nach Abschluss der Inspektion und keinen Auffälligkeiten wird ebenfalls an die Brücke auf beschriebenem Weg gemeldet.
“Königs”-Drill
Zweimal jährlich wird der sog. Mass casualty incident (MCI) geübt — Übungsszenario ist einer besonders schwere Lage (z.B. Brand im Theater mit 700 Gästen) mit mehr als 6 Verletzten. Andere Regeln sagen: Wenn die Bettenkapazität bzw. Behandlungsplätze im Hospital überschritten sind. Der Junior Doc eröffnet mit den Nurses das vorbereitete Secondary hospital, wo man alle Verletzte und Tote hinbringt. In der Staging area am Unfallort wird durch den Senior Doc eine Triage nach dem START system (Simple Triage and Rapid Treatment) durchgeführt.
Triage | Maßnahmen |
---|---|
Immediate | Patienten, die große lebensbedrohliche Verletzungen haben, aber angesichts der verfügbaren Ressourcen gerettet werden können. |
Delayed | Patienten, die nicht lebensbedrohliche Verletzungen haben, aber nicht in der Lage sind zu gehen oder einen veränderten psychischen Zustand zeigen |
“Walking Wounded” | Patienten, die in der Lage sind, aus dem Unfallbereich zu einem Behandlungsbereich zu gelangen |
Deceased or Expectant | Wird für Opfer verwendet, die tot sind oder deren Verletzungen das Überleben unwahrscheinlich machen |
Behandlung vor Ort wird nur durchgeführt bei:
- Atemwegsmanöver
- Tourniquets für lebensbedrohliche Blutungen
- Nadel-Dekompression bei Spannungspneumothorax
Das Stretcherteam wird beim Transport in das Secondary hospital von Kräften aus dem Housekeeping verstärkt. Im Secondary hospital werden Zonen ( rot — gelb — grün — schwarz entsprechend der Triage) eingerichtet und Sonnenliegen aufgestellt. Der Junior Doc und die Schwestern sind im Secondary hospital für die Versorgung zuständig. Nach Beendigung der Triage kommt der Senior Doc als Verstärkung dazu. In der Folge wird der Abtransport in geeignete Krankenhäuser organisiert. Mitten auf See ist das dann besonders schwierig und in kurzer Zeit gar nicht möglich. Die Luftrettung ist hier die einzige Möglichkeit, die Kapazitäten sind aber eingeschränkt.
First Aid Training
Jedes neue Crewmitglied wird in den ersten Tagen in der Ersten Hilfe unterwiesen. Das SQM fordert bestimmte Inhalte. Theoretisch werden unter anderem Notfallnummern, Alarmierungswege, Örtlichkeiten von Rettungsmittel (z.B. AED) und Notfalltelefonen sowie verschiedene Notfallszenarien (was ist wenn und Maßnahmen) vorgestellt. Danach wird praktisch die stabile Seitenlage und die Herzdruckmassage geübt. Am Ende müssen alle Teilnehmer einen Test ausfüllen.
Schicksale
Trotz allen Vorsichtsmaßnahmen passieren gerade auf den Schiffen bei Übungen auch mal sehr schlimme Dinge — auch mit tödlichem Ausgang.
Beim Herunterlassen des Rettungsbootes ist der Haltearm gebrochen und das Boot ist in die Tiefe gestürzt. Der Matrose, der sich auf dem Boot befand und auch mit Leine gesichert war ist beim Aufschlag zwischen die Bordwände von Schiff und Rettungsboot gekommen und wurde zerquetscht.
Arbeitsmedizinische Aufgaben
Arbeitsunfälle
Arbeitsunfälle gibt es ausreichend auf Schiffen. Im Engine Room, in der Galley, der Laundry und auf Deck bei Wartungsarbeiten gibt es genügend Gefahrenquellen. Persönliche Schutzausrütung ist vorhanden und wird auch angewendet. Dennoch lässt sich nicht alles vermeiden, zumal Seegang nicht immer auszurechnen ist.
Die Unfallopfer stellen sich alle und unmittelbar nach dem Geschehen im Hospital vor — auch außerhalb der Sprechzeiten. Je nach Schwere können die Verletzten auf dem Schiff versorgt werden oder sie müssen sich — wenn möglich — an Land im Krankenhaus vorstellen. Das ist aber eher die Ausnahme, Schwere Verletzungen wie operationsbedürftige Knochenbrüche, Schulterluxationen oder schwere Verbrennungen kommen sehr selten vor. Meistens sind es Schnittwunden, Prellungen und Quetschungen, kleinere Verbrennungen und kleinere Verätzungen. Augenverletzungen sind sehr selten.
Im Hospital werden zunächst die Daten erfasst. Dazu gehören Personalien, Department, Unfallort und ‑zeit, Unfallgeschehen und Verletzungen. Nach Erstversorgung und Dokumentation wird der Chief Safety officer informiert, der sich auch nochmal nach dem Ablauf erkundigt und eine Belehrung anschließt. Wenn möglich wird auch mit dem Unfallopfer eine Vorort-Besichtigung durchgeführt und ggf. Bilder gemacht. Unfälle werden im wöchentlichen Safety meeting vorgestellt, besprochen und gegebenenfalls weitere Maßnahmen festgelegt. Außer in der Krankenkartei wird das Ganze nochmal im Dokumentationssystem der Arbeitssicherheit AIRTS (Accident and Incident Reporting System) festgehalten und auch statistisch aufbereitet. Eine „Notification of accident“ wird von der Nurse ausgefüllt und von Nurse und Doctor unterschrieben. Unfälle sind bei der Reederei ein Schwerpunktthema und werden in gleicher Weise behandelt wie in Deutschland bei Großkonzernen.
Krankheitsausbrüche
“Seuchenlagen” sind auf den Schiffen eine Katastrophe, sowohl in wirtschaftlicher als auch in organisatorischer Hinsicht. Gibt es einen Massenausbruch einer Krankheit auf dem Schiff, so wird dasSchiff in der Regel von der Hafenbehörde im Hafen festgelegt und isoliert. Für Gäste, die teueres Geld für ihre Traumreise bezahlt haben ist das dann alles andere als erfreulich. Deshalb wird alles getan, um solche Ausbrüche (z.B. Noro-Virus-Erkrankungen) frühzeitig zu erkennen und präventiv zu handeln. Schwierig dabei ist, dass insbesondere Gäste häufig erstmal nicht zum Arzt gehen und abwarten, obwohl sie in der Eingangsbelehrung dafür unterschrieben haben.
Um solche Ausbrüche schnell zu erkennen sind im Präventionssystem “Detektoren” eingebaut. Generell achtet das Personal in öffentlichen Bereichen (Restaurants, Bars, Spa, Ausflugspersonal etc.) darauf, ob Gäste irgendwie krank aussehen oder z.B. häufig zur Toilette laufen. Weiterhin achtet Housekeeping darauf, ob man in den Kabinen Zustände vorfindet, die auf Erbrechen und Durchfall hindeuten.
Der Hauptdetektor ist aber das Hospital. Wenn sich Gäste in der Sprechstunde mit Erbrechen und Durchfall vorstellen wird durch den Schiffsarzt eine vorgeschriebene Anamnese und Untersuchung durchgeführt. In der Anamnese wird nach dem Krankheitsbeginn, Durchfall ggf. mit Blutbeimengungen, Erbrechen, Bauchkrämpfe, sowie Kopf- und Gliederschmerzen gefragt. Weiterhin wird eruiert, ob der Patient schon antidiarrhoeische Medikamente eingenommen hat. Es wird Temperatur gemessen und bei Verdacht auf eine Noro-Virus-Infektion kann man auch einen Noro-Schnelltest machen. Der Test hat eine hohe Sensitivität und Spezifität und ersetzt die Stuhlprobe im Labor. Fieber wird als Körperkerntemperatur von > 38,5 ° C. definiert. Abschließend werden alle Ergebnisse im GI-Log festgehalten. Wenn von den Kriterien neben Durchfall mindestens zwei weitere zutreffen, wird der Fall als “reportable case” deklariert. Ansonsten bleibt es ein non-reportable case, der aber als solcher auch in dem GI-Log festgehalten wird. Im Infektionsfall bleiben die PAXE mindestens 24 h und die Crew mindestens 48 h auf der Kabine. Desinfektionsmittel und Anleitungen werden mitgegeben. Housekeeping desinfiziert die Kabine und die Toiletten. Mahlzeiten auf den Kabinen werden organisiert.
OPP (Outbreak Prevention Plan)
Der OPP dient der Prävention von Massenausbrüchen auf dem Schiff. Durch viele Menschen auf engem Raum ist ein Kreuzfahrtschiff geradezu prädestiniert für eine schnelle Verbreitung von hochansteckenden Infektionskrankheiten wie z.B. das Noro-Virus. Deshalb wird alles dafür getan, um die Verbreitung zu minimieren.
Im OPP sind 3 Level festgelegt:
- Level 1: 0,0 % bis 0,5 % der Personen auf dem Schiff sind betroffen.
- Level 2: 0,5 — 1,5 % der Personen auf dem Schiff sind betroffen oder 6 Zugänge in 6 Stunden (“6 and 6”)
- Level 3: > 1,5 % der Personen auf dem Schiff sind betroffen.
In diesem Excel-Sheet werden für alle Departments die Aufgaben zugewiesen.
Wassertest
Water Colisure Test
Einmal wöchentlich werden stichprobenartig Wassertests mit Verdacht auf E. Coli an verschiedenen Wasserentnahmestellen am Schiff durchgeführt. Die Liste der Entnahmestellen erhält das Bordhospital vom Environmental Officer. Der Environmental Officer geht durch das Schiff, um die Wasserproben zu entnehmen. Wenn die Nurse Zeit hat, unterstützt sie ihn dabei. Nach Zugabe des Colilert Pulvers und anschließender Bebrütung im Wärmeschrank über 24 Stunden wird der Test ausgewertet und im Formular Water Colisure Test festgehalten Eine negative Vergleichsprobe steht immer im Labor. Ist die Probe positiv, werden der Environmental Officer und der Sanitation Engineer umgehend telefonisch benachrichtigt. Die positiven Testergebnisse werden aus der Liste kopiert und in einer eMail an die den Waterlist-Verteiler versendet. Bei positivem Ergebnis muss erneut eine Probe zur Auswertung entnommen werden (Re-Test). Ist sie wieder positiv, wird die Quelle für eine vom Environmental Officer vorgegebene Dauer geschlossen und nach Ablauf der Dauer ein erneuter Kontrolltest durchgeführt.
Bunkering Water Test
Bevor das Schiff am Hafen Wasser aufnehmen darf, muss das Wasser vorab einem Bakterientest unterzogen werden. Dazu wird eine Probe vom Sanitation Engineer ins Hospital gebracht. Nach Zugabe des Colilertpulvers durch die Nurse on duty wird die Probe im Wärmeschrank bebrütet. Nach einer Stunde wird das vorläufige Ergebnis telefonisch durch die Nurse an die Brücke gemeldet. Zusätzlich erfolgt noch eine Benachrichtigung per eMail an den Captain und den Navigation Officer. Nach 24 Stunden Bebrütung erfolgt die endgültige Auswertung. Diese wird im Formular Bunkering Water eingetragen. Bei einem positiven Endergebnis werden umgehend die Brücke und der Staff Captain telefonisch informiert.
Potable Watertank Test
Einmal im Monat, meist an den letzten zwei Tagen, werden von den Wassertanks des Schiffs Proben genommen. Dazu vereinbart die Nurse einen Termin mit dem Sanitation Engineer und nimmt dann mit ihm die Wasserproben im Maschinenraum. Das weitere Prozedere ist dem wöchentlichen Colisure Test gleich.
Alkoholtest
Auf Anordnung des Staff Captains werden in regelmäßigen Abständen und/oder akuten Verdachtsmomenten Alkoholtests durchgeführt. Der Doctor on duty wird dabei stets als Zeuge hinzugezogen, wobei die Tests vollständig in die Kompetenz der Security fallen. Die Dokumentation wird ausgedruckt und abgeheftet.
Randomisierter Drogentest
Der Staff Captain ordnet alle 40 Tage per eMail an den Senior Doctor sowie den Chief Security Officer den Termin für den nächsten Drogentest an. Es werden ca. 20 Crewmember nach einem Auswahlverfahren durch den Staff Captain erfasst und zum festgelegten Termin in das Hospital zum Test gebeten. Die Durchführung erfolgt durch die Nurse und den Doctor on duty und wird durch die Security überwacht. Die Dokumentation erfolgt durch den Chief Security Officer, der auch die jeweiligen Supervisors der Crewmember über den drug test informiert. Es werden i.d.R. 40 Drogentest pro Monat durchgeführt. Ein 3‑Monatsvorrat wird an Bord vorgehalten.
Müllentsorgung
Hospitalmüll wird in roten Mülltüten mit der Kennzeichnung „Biohazardous“ entsorgt. Das Reinigungspersonal des Hospitals teilt der Nurse on duty täglich die Menge der entsorgten Tüten mit und notiert diese im Medical Waste Log Ordner und unterschreibt dort.
Arbeit und Vergnügen
Die Bilder in der folgenden Galerie zeigen viele Reiseziele, die wir besucht haben.
Neben all den schönen Erlebnissen ragt ein Ereignis deutlich heraus — unsere kirchliche Hochzeit auf See am 31.10.2012 auf der Astor. Klein, aber fein. So wie wir es uns immer gewünscht haben.
Es ist ein schönes Bespiel dafür, wie auf dem Schiff einer für den anderen da ist. Hotelmanager, Kreuzfahrtleiterin, Bordpfarrer, Küchenchef, Fotografin, Pianistin, Housekeeping — alle haben sie ihren Teil dazu beigetragen, dass es für uns ein unvergessliches Erlebnis wird und immer in unserer Erinnerung bleibt.